Giftig
- Julia Schmitt

- 20. Apr. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Feb.

Edward brauchte einige Minuten, um seine Augen zu öffnen. Mehrere Male gelang es ihm nicht die Lieder nach oben zu bekommen, da seine Augen ganz verklebt waren. Wieso war das so? Er versuchte sich an den gestrigen Abend zu erinnern, aber nur langsam fielen ihm einige Bruchstücke ein. Er war von Georg auf eine private Party eingeladen worden. Die Partygeberin war Esther oder Kim oder Laura oder sonst irgendein Mädel aus dem Fitnessstudio. Hatte er mit der Gastgeberin gesprochen? Ne! Obwohl, eigentlich konnte er es nicht wissen, denn er erinnerte sich weder daran mit welchen Frauen er gesprochen hatte, noch wer die Gastgerberin war. Edward fiel ein wie er einige Zeit mit Georg an der Wand gelehnt in einem mickrigen Wohnzimmer stand und die Masse an Pflanzen betrachtete. Er glaubte sich an ein Gespräch mit Georg zu erinnern, in dem sie versuchten herauszufinden, von welchen pflanzlichen Wesen sie umgeben waren. Orangefarbene Inkalilien standen in einer dickbauchigen Glas Vase, einige Grünlilien waren im ganzen Raum verteilt und ein 2m hoher Gummibaum verzierte das Bücherregal. Zwei kleine Fensterblätter auch Monstera genannt schmückten die Fensterbank. Dann befand sich darunter noch ein ehemaliger kleiner, süßer Glücksbambus, der mittlerweile in seinem Blumentopf einige Geschwister bekommen hatte und auf eine stattliche Größe von mind. 1,20m angewachsen war. Komplettiert wurde dieser farbenfrohe Dschungel mit einem dicken, gelben Strauß an frischen Tulpen, die in einem blauen Plastikeimer standen. Warum eigentlich ein blauer Plastikeimer, schoss es Edward durch den Kopf. Wahrscheinlich besaß die Gastgeberin einfach keine Vase, die 32 gelbe Tulpen aufnehmen konnte.
Edward hatte, während er versuchte den gestrigen Abend weiter zu rekonstruieren, mittlerweile seine Augen geöffnet, starrte an eine weiße Zimmerdecke mit nackter Glühbirne und spürte einen kurzen Moment in sich hinein. Atmen, mit den Zehen wackeln, die Finger bewegen, den Kopf nach links und rechts drehen. Er atmete tief ein und aus und freute sich insgeheim, dass er anscheinend noch all seine Gliedmaßen besaß. Ein kurzer Blick unter die Bettdecke zu seinem Gemächt, entspannte ihn nun vollends. Bei diesen Rechtsmediziner-Partys wusste man ja nie, was passieren konnte. Edward nahm ein leichtes Brennen an seinem linken Oberarm wahr und steuerte die Finger seiner rechten Hand zu dieser Stelle. Fühlte sich komisch an; empfindlich und irgendwie nicht mehr wie seine eigene Haut. Er zögerte noch einen kurzen Moment. Seine Atmung begann sich zu beschleunigen. Edward drehte mit geschlossenen Augen seinen Kopf Richtung wunder Stelle, zählte bis drei und öffnete seine Augen. Sein Atem stockte. Er schloss sofort wieder seine Augen und rubbelte mit seinen Fingern über die nun andersartige Körperstelle, wodurch das leichte Brennen leider nicht mehr leicht, sondern stark wurde. Abrupt stoppte er das Rubbeln und schlug seine Augen wieder auf. Jetzt war er also auch einer von denen.
Edward ächzte und stöhnte als er sich hin- und herdrehte, um sein Handy zu finden. Er entdeckte es einen halben Meter neben der Matratze, streckte sich aufs Maximum, griff nach dem Handy und rollte sich wieder in Rückenlage.
Unter seinen Favoriten stand Georg an oberster Stelle. Edward wählte und nach drei Leerzeichen meldete sich Georg: „Hey Gift-Brudi, was geht?“ „Häh?“, kam es von Edward, dem anfing der Kopf zu dröhnen. „Unsere Gift-Sistern sind auch schon wieder am Start. Wann biste aufm Kiez?“ „Häh?“, entfleuchte es Edward erneut, der keine Ahnung hatte, ob er noch träumte, im Delirium war, oder tot. „Alter, Edward, Helen ist ganz scharf auf dich und hat schon zweimal nach dir gefragt und nachdem wir nun alle Gift-Geschwister sind, sollte es ein leichtes sein, sich ein bisschen miteinander zu Vergnügen.“ Edward antwortete mit voller Innbrunst: „Hähhhhhh?“ „George, das nervt! Häh? Häh? Häh? Kommste jetzt noch rum, oder lässt du deine neue Gift-Family im Stich?“
„Was ist eine Gift-Family?“, stellte Edward nun endlich die alles entscheidende Frage. „Nicht dein Ernst, Alter!“, stieß Georg aus. „Helen ist ein Pflanzenfreund und du und ich haben gestern als einzige auf ihrer Party alle Pflanzen erraten: Gummibaum, Grünlilien und Glücksbambus, Inkalilien, Fensterblätter und Tulpen. Helens GIFT-Family. Und da ihre beste Freundin Künstlerin ist, haben du & ich kostenlose Tattoos erhalten, was unser Eintritt zu diesen beiden geilen Mädels garantiert.“ „Holy Shit!“, entfuhr es Edward. „Was sage ich nur meinen Kindern?“
„Edward, du hast keine Kinder!“
„Aber vielleicht später mal!“
„Sorg dafür, dass deine zukünftigen Kinder mit Helen entstehen und ihr werdet auf jeder Familienfeier eine fantastische Anekdote zu erzählen haben. Komm jetzt rum, Alter!“, bestimmte Georg und legte auf.




