Gegensätzliche Gegensätze
- Julia Schmitt

- 9. Juni 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Feb.
An einem lauen Sommerabend trafen sich Nina, Conni, Daniela und Lena bei ihrem Lieblingsspanier. Wie immer war es gerammelt voll, aber Conni hatte, sicherheitsaffin wie sie war, einen Tisch bereits vier Wochen im Voraus reserviert. Daher steuerten die Freundinnen direkt den einzig leeren Tisch im Restaurant an und begrüßten die Kellner mit einem freundlichen Nicken.
„Ich freu mich auf die Garnelen. Das ist mit das Beste hier!“, eröffnete Conni die Konversation.
„Obwohl die Datteln im Speckmantel auch ganz schön gut sind“, erwiderte Lena.
Und so besprachen die vier Freundinnen welche Speisen noch zu ihren Lieblingslebensmitteln zählten und kamen vom Essen, auf ihre letzten Urlaubserlebnisse, auf neue Ideen und Inspirationen, sprachen über Männer, philosophierten vor sich hin, während nach und nach die unterschiedlichen Tapas an ihren Tisch gebracht wurden.
Conni nahm sich eine der Garnelen, brach den Panzer auf, um sich das lecker gewürzte Garnelenfleisch einzuverleiben und genoss jeden Bissen.
Derweil saß ein Pärchen am Nebentisch, das sich in diesem Moment nicht viel zu sagen hatte, aber dennoch die Zeit miteinander genoss.
Krrk! Conni brach einen weiteren Garnelenpanzer auf, schälte das Fleisch heraus, pulte am Kopf der Garnele herum und riss die Beinchen ab. Die Truppe unterhielt sich gerade angeregt darüber, ob man den Intimbereich lieber waxt, epiliert, rasiert, oder lasern lassen sollte, während die Frau am Nebentisch einen Würgereiz unterdrücken muss. Krrk! Ein weiterer Garnelenpanzer zerbrach. Krrk! Und noch einer! Jetzt waren es schon zwei Frauen am Nebentisch, die ungeniert und völlig schamlos eine Leichenschändung an diesen armen Tierchen vornahmen, dachte die Frau und sah hilfesuchend nach ihrem Mann. Da er die zarten Seiten seiner Frau kannte, schaute er sie mitfühlend an. Krrk! „Oh Gott! Ich kann da nicht hinschauen“, sagte sie und änderte ihre Sitzposition, um nun mehr mit dem Rücken zum Nebentisch ausgerichtet zu sein. Sie schloss die Augen und wollte gerade noch einen Löffel ihrer Suppe zu sich nehmen als Krrk! ein weiteres Mal ein Panzer gebrochen wurde und die Frauen am Nebentisch in schallendes Gelächter ausbrachen. Wie konnte man nur so bestialisch sein?!!
„Und dann sagt sie doch allen Ernstes: Ich würde die Haare an den Schamlippen nicht weglasern lassen, denn wenn Sie älter werden, ist es eigentlich ganz schön, wenn die zwei Lappen dann von ein paar grauen Härchen verdeckt werden“, erzählte Nina die letzte Episode ihres Haar-Laser-Termins. Die drei übrigen Frauen konnten sich nicht mehr halten vor lachen und Conni musste so prusten, dass ihr ein Stückchen Garnele aus dem Mund schoss. Was dazu führte, dass das Gelächter noch mehr anschwoll und der Vierer-Trupp im Begriff war das ganze Lokal zu unterhalten.
Die Frau am Nebentisch unterdrückte erneut einen Würgereiz, ihr Mann schaute überfordert und nahm ihre Hand. Der Löffel der Frau wurde an die Seite des Tellers gelegt, denn an ein Weiter-Essen war nicht mehr im Traum zu denken.
Krrk!
„Wie viele Garnele liegen da denn noch?!“, fragte die Frau völlig aufgelöst und schaute verzweifelt ihren Mann an. Dieser schielte über die Schulter seiner Frau auf den Nachbartisch und sagte: „Nur noch eine. Gleich geschafft, Schatz!“ Er drückte ihre Hand, sie schloss die Augen. Ihre andere Hand ballte sich und sie versuchte sich irgendetwas Schönes vorzustellen. Eine Blumenwiese, das Meeresrauschen, ein bisschen Vogelgezwitscher.
Krrk!
„Das war die Letzte“, versicherte ihr Mann. Die Frau atmete tief ein, nahm ihren Löffel wieder in die Hand und füllte ihn mit Suppe. Ihre Hand bewegte sich mit dem vollen Löffel ihres Mundes. Der Ehemann schaute erleichtert, ließ ihre Hand los und widmete sich nun auch wieder seinem eigenen Essen.
„Carlos?“, rief Daniela, „bring uns, bitte, noch einen Teller Garnelen, sonst heult Lena noch rum, weil Conni ihr alles weggegessen hat. Danke dir!“




